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Buchauszug “Klare Führung” Teil II: Megatrends

Globalisierung ist der am häufigsten verwendete Begriff in der sozialwissenschaftlichen Literatur. Im Schwerpunkt wird die Globalisierung als ein wirtschaftliches Dogma angesehen, obwohl sie auch viel facettenreicher interpretiert werden kann. Wie bei jedem Mythos gibt es keine genaue Erklärung der Herkunft und auch die wesentlichen Element werden unterschiedlich interpretiert. Allerdings gibt es durchaus Erklärungsansätze zur Entstehung der Globalisierung:(fn)

  • Das Wort „Globalisierung“ wird erst seit den 90er Jahren verwendet. So ist es ein Ansatz, diesen Zeitrum als den Ursprung der Globalisierung verstehen.
  • Bei einer Betrachtung des wesentlichen Inhaltes, nämlich des freien und liberalen Handels, kann die Entstehung der Globalisierung schon auf die 80er Jahre zurückverfolgt werden. Für einige ist das symbolische Auftaktdatum das New Yorker Plaza-Abkommen mit einer Neufestsetzung von Wechselkursen im Jahre 1985. Als dessen Folge wurden riesige weltweite Finanztransaktionen ausgelöst. Es war die Geburtsstunde der Bildschirmökonomie und des Kasino-Kapitalismus.
  • Andere Wissenschaftler sehen den Beginn der Globalisierung in der massenhaften Verlagerung von Produktionsstätten in Niedriglohnländer in den 70 Jahren.
  • Man kann den Anfang der Globalisierung durchaus auch in die 50er Jahre verlegen. Damals wurden die Zerstörungsmacht von Atombomben mit seinen globalen Auswirkungen diskutiert. Diese Argumentation fällt mit einer aus Westeuropa und Ostasien zunehmenden Ausbreitung des „American Way of Life“ zusammen.
  • Im 19. Jahrhundert verbreiteten sich Eisenbahnen und Motorschiffe und ermöglichten technisch den Handel über große Strecken.
  • Vielleicht beginnt die Globalisierung aber auch mit der Entdeckung der „Neuen Welt“ durch Kolumbus.
    Alle diese Erklärungsversuche der Globalisierung haben einen europäisch – amerikanischen Blickwinkel. Eine durchaus einseitige Sicht der Dinge. Entsprechend unserer hintergründigen Betrachtung realer Phänomene können wir den Anfang der Globalisierung auch ausgehend von Asien interpretieren. So kann man eine erste Form der Globalisierung in der Ausbreitung der langen Handelswege aus Asien schon vor gut 2500 Jahren sehen. Diese Handelsströme vor allen Dingen aber auch das Zusammentreffen der verschiedenen religiösen und kulturellen Strömungen sind ein wesentlicher Rahmenfaktor für die Entstehung der griechischen Philosophie. Es ist sicher zu rechtfertigen, diese Einflüsse als erste Form der Globalisierung anzusehen.

Mit der Globalisierung in der heutigen Form verbindet sich eine weitgehende „Entgrenzung“ des Handels, der Finanzströme und des Wissens. Die nationalen Grenzen werden immer durchlässiger. Internationale und vor allen Dingen multinationale Verträge ersetzen individuelle staatliche Regelungen und ermöglichen den Transfer über viele Grenzen hinweg. Es wird von einer hohen und zunehmenden „Faktormobilität“ gesprochen. Mit dem Abschluss internationaler und multinationaler Verträge geben die Nationalstaaten ein Stück ihrer Souveränität auf, was zu einer „Legitimationserosion“ führt. Die Kompetenzen und Verantwortung für weltweite Effekte werden auf immer mehr Schultern verteilt und jede Staatsführung ist von einer globalen Ebene des Rechts und der Rechtfertigung umgeben. Vor diesem Hintergrund entsteht eine „Heterarchie“, also eine Abkehr klassischer hierarchischer Modelle zugunsten von kooperativen Strukturen. Die Führung in einer globalen Welt hat sich massiv verändert. Diese nationalen Einschränkungen können mit dem Effekt der Ausweitung von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Optionen gerechtfertigt werden. Die „Optionsvielfalt“ nimmt ein immer größeres Ausmaß für jeden Einzelnen an. Ganz am Ende wird mit der Globalisierung eine besonders starke Dynamik und vor allem auch ein besonderer „Fortschritt“ verbunden. Die Vergangenheit und das Erreichte werden weniger positiv bewertet als die Chancen und Herausforderungen der neuen Diskontinuitäten. Die Globalisierung erklärt viele Aspekte, die wir als Grundlage einer neuen Philosophie der Führung ansehen.

Bei einer hintergründigen Betrachtung der Globalisierung ist die eindimensionale Beurteilung als wirtschaftliches Phänomen nicht ausreichend. Mit der Ausweitung der Handelsströme bei Waren und Finanzen geht auch eine Konvergenz wesentlicher gesellschaftlicher Werte einher. Durch den intensiven Austausch der Institutionen und der Menschen lernen wir andere Sichtweisen kennen und gewöhnen uns an sie, oder nehmen die Einstellungen in unseren Wertekanon auf. Da ausgehend von Europa und Amerika der Gedanke der modernen und freien Wirtschaft in die gesamte Welt exportiert wurde, wurden eben auch die dahinter liegenden Einstellungen und Normen weiter gegeben: Kapitalismus und Demokratie. Und solange bei dieser Entwicklung die wirtschaftlich starken Regionen einen Vorsprung gegenüber den damals noch schwachen Teilen der Welt hatten, haben sich natürlich die Starken durchgesetzt. So wurde und wird unter dem Schleier wirtschaftlicher Vorteile auch der Grundgedanke der freien Wirtschaft und der Demokratischen Ordnung in die Welt getragen und dort in vielen Teilen auch aufgenommen. Die Globalisierung hat tatsächlich die Dominanz der Wirtschaft als Grundwert der Gesellschaft exportiert oder versucht zu exportieren. Eine neue Form des aufgeklärten Missionarstum. Die Mission der Globalisierung ist nicht mehr, die Vorzüge einer Religion in die Welt zu tragen, sondern Kapitalismus und Demokratie. Der Nutzen sollte dann auch für sich sprechen. Die Erlösung findet nicht mehr nach dem Tode statt, sondern besteht in einer irdischen Überwindung von Armut und Unterdrückung – Wohlstand für Alle. Wer am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben will, muß das akzeptieren und in Richtung der wirtschaftlichen Dominanz als Wertgerüst assimilieren. Die Diversität der Kulturen ist in Gefahr geraten. Globalisierung ist eine Form der Angleichung und nicht des Erhaltes von Vielfalt. Die Weltwirtschaft rückt unter gleichen Einstellungen zusammen. Liberaler Handel, kooperative Zusammenarbeit und Wohlstand sind eine Kultur für sich, die neben den weiteren kulturellen Dimensionen der vielen Nationen steht. Und sie ist tatsächlich mancherorts dominant geworden und erdrückt die alten Kulturen nahezu.

Während in der einschlägigen Literatur zur Führung die Globalisierung noch weiter auf dem Vormarsch ist, gehen wir davon aus, dass wir einen Wendepunkt erreicht haben. Die Indizien sind einfach zu deutlich, sie liegen seit kurzer Zeit auch nicht mehr im Verborgenen. Mit einer „My Country First“ Kampagne wird dem freien Handel und globalen Handel ganz offen die Stirn geboten. Die globalen Kapitalströme sind nahezu unkontrolliert und lassen die Forderung nach Regulierung erstarken. Dabei haben die Nationalstaaten steuerliche Aspekte im Fokus, was deren Entschlossenheit unbedingt verstärkt. Der Begriff der Steuergerechtigkeit wird ins Spiel gebracht und stellt sich gegen den Wettbewerb der Staaten als Wirtschaftsstandorte. Dazu kommt, dass die früheren Empfängerländer des wirtschaftlichen Wohlstandes ihr Selbstverständnis als verlängerte Werkbank zurecht aufgeben und neue Kräfteverhältnisse anstreben. Die technologischen Möglichkeiten des kostengünstigen Transportes von Waren über lange Strecken trifft auf ein zunehmendes ökologisches Bewußtsein. Nicht alles was geht ist auch sinnvoll oder ökologisch vertretbar. Das stärkste Argument aber, um den bereits begonnen Wechsel von der Globalisierung zur Regionalisierung zu belegen, ist das wieder Aufkommen des Begriffes Heimat. Diese Wort war lange Zeit aus dem Sprachgebrauch unserer Gesellschaft nahezu verschwunden. Nun macht es deutlich, dass die kulturelle Vielfalt ihren Siegeszug gegen die Globalisierung mit ihrer eindimensionalen wirtschaftlichen Orientierung antritt. Entsprechend der These vom Kampf als Motor des Geschehens, wird die Globalisierung mit aller Wahrscheinlichkeit zugunsten einer regionalen und kulturellen Ausrichtung unterliegen. Bis zum nächsten Zyklus der Veränderungen in Richtung liberale und vernetzte Welt.
Die Folgen für eine neue Führung sind offensichtlich. Die kooperative Führung der Welt wie sie durch multilaterale Verträge abgesichert war, wird zugunsten neuer Ordnungsprinzipien zurück gedrängt. Die Heterarchie als ein Element der Globalisierung wird durch hierarchische Prinzipien angegriffen. Die Führungsprinzipien werden sich insgesamt regionenspezifisch oder sogar länderspezifisch differenzieren.

Die Vielfalt der Kulturen und ein Nebeneinander unterschiedlicher Staatsformen wird die noch dominanten Werte des Kapitalismus und der Demokratie aus der Zeit der Globalisierung ablösen. Die Führungsgrundsätze, -Methoden und -Stile werden sich regional differenziert ausprägen. Diese Entwicklungen sind bei der Definition einer neuen Philosophie der Führung zu berücksichtigen. Es war schon immer falsch, das historische und kulturelle Umfeld aus dem neue Vorschläge zur Führung entstanden sind, nicht in die Betrachtung einzubeziehen. Es ist eben ein Unterschied, ob man aus einer hierarchischen Welt ohne rechtliche Absicherung heraus partizipative Führungs-Modelle entwickelt, oder ob man aus einem kulturellen Umfeld stammt, bei denen Machtgehabe und „hire and fire“ Mentalität noch nie ausgeprägt gewesen sind. Die kulturelle Entwicklung und der Zeitgeist in einem Land oder einer Region sind als wesentliche Aspekte einer neuen Führung zu berücksichtigen.

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