excellence
Excellence

Es besteht kein Zweifel, dass unsere Welt durch erhebliche Veränderungen geprägt ist. So wie sie das schon immer war. Das Management kennt alle modernen Herausforderungen von Globalisierung, digitaler Transformation und Klimaschutz und will diese Veränderungen auch gerne aktiv mitgehalten. Aber viel zu häufig bleiben die großen Schritte aus. Die Angst vor Veränderungen ist gerade im Management groß, denn überall lauern Risiken für das bereits Erreichte.

Die Ängste des Bauern

Der Bauer sitzt auf der Insel Ithaka vor seinem Haus und schaut in die hügelige Landschaft. Es ist Zeit zum Verweilen. Diese zwei Stunden am Mittag sind fester Bestandteil seines Tagesrhythmus. Eos, die Göttin der Morgenröte weckt ihn sanft am frühen Morgen. Nach einer kurzen Stärkung geht es direkt los mit der Arbeit. Am Mittag, wenn Helios seine ganze Kraft zeigt, hat sich der Bauer eine Pause wohl verdient und freut sich über ein gutes Mahl. Dann eine längere Mittagsruhe, um der heißen Sonne zu entgehen. Am Nachmittag geht er erneut seinen Verrichtungen nach, bis am Abend der Körper erschöpft ist. So geht es tagein, tagaus. Jeder Handgriff basiert auf den Erfahrungen, die ihm schon der Vater übermittelt hat. Er will es ihm mindestens gleich tun. Sein wichtigstes Ziel ist es, die Versorgung der Familie sicherstellen. Wenn er fleißig ist und keine Fehler in den bewährten Prozessen macht, kann er es vielleicht zu einem bescheidenen Reichtum bringen. Der gewohnte Gang der Dinge hilft ihm, alle anstehenden Aufgaben gut zu erledigen. Die Routine bringt Sicherheit und Zufriedenheit.

Die ländliche Idylle des Bauern ist aber ständig in Gefahr. Er hat immer eine begründete Angst, dass Trockenheit die Ernte zerstört. Neue Nachrichten schüren Angst, dass die politische Lage zwischen den griechischen Stämmen zu neuen Übergriffen führt. Es ist also nicht verwunderlich, dass der Bauer eine latente Angst vor einer unsicheren Zukunft hat.

Mit Pflichterfüllung gegen das Schicksal

Der Bauer weiss, dass er sich dem göttlichen Schicksal einer Trockenheit nicht entziehen kann. Gegen die Natur kann man nicht proaktiv antreten. Allein die ehrbare Pflichterfüllung mag die Götter gnädig stimmen und das Unheil abwenden. Die Pflichterfüllung ist der menschliche Hebel, damit die Götter die Zukunft gut werden lassen. Es ist das Opfer, dass der Mensch zur Besänftigung des Übermächtigen erbringt.

Der Manager kennt diese Pflichterfüllung auch. Die Arbeit in einem komplexen System muss erledigt werden. Um jeden Preis, denn sonst kommt das ganze System ins Wanken. Er hat zur Steigerung des Ertrages eine Bewässerung installiert. Große Ingenieurkunst, wie das Wasser aus den Bach gesammelt und durch ein aufwendiges Kanalsystem verteilt wird. Der Landwirtschaftsmanager verwendet viel Zeit darauf, immer wieder zu kontrollieren, ob die Böden genügend Feuchtigkeit haben. Schäden an dem System müssen erkannt und sofort behoben werden. Jeder Handgriff zur Bewässerung ist jahrelang eingeübt. Die verschiedenen Mechaniken, um das Wasser weiterzuleiten, hatten sich schon bei seinem Vater bewährt. Das Management der Landwirtschaft ist über Generationen eingeübt und die Prozesse sind den Jahreszeiten entsprechend angepasst. Solange der Bach genügend Wasser trägt, wird mit Sicherheit ein guter Ertrag erwirtschaftet.

Doch leider hat die Pflichterfüllung gar keinen Einfluss darauf, ob der Bach wirklich genügend Wasser hat. In Zeiten der Dürre fehlt das Wasser ganz einfach und das ganze System läuft leer. Weder Kontrollen des Systems noch das Opfer der Pflichterfüllung kann das ändern. Die Dürre ist ein unvorhersehbares Ereignis und vollkommen unabhängig von den eigenen Bemühungen.

Die kleine und die weite Welt des Management

Die zweite Angst des Bauern in Ithaka betrifft die politischen Unsicherheiten. Immer wieder hört man von Übergriffen einzelner Stämme. Die Lage ist unbeständig, unsicher, komplex und die Anzeichen auf einen erneuten Angriff sind mehrdeutig. Neugierig hört er Landsleuten zu, die von Zerstörung und Disruption in Teilen des griechischen Peloponnes berichten. Ja, die Gefahr ist da, also eigentlich dort, wo es passiert und wird doch wohl immer größer, auch für den eigenen Hof. Der Bauer mahnt die Familie zu besonderer Vorsicht. Wobei, er hat keine Waffen und im Ernstfall kann er sich und seine Familie nicht verteidigen, aber Achtsamkeit ist immer ein guter Rat.

Das moderne Management nimmt Berichte von Besorgnis erregenden Ereignissen sofort auf. Die Situation mit feindlichen Übergriffen schafft große Unsicherheiten und es ist geradezu unausweichlich, eine angemessene Reaktion gründlich zu durchdenken.
Das Management hat natürlich nicht versäumt, Experten zu dem Thema zu befragen. Jetzt wird große Tisch wird für Besprechungen frei geräumt. Die Gefahr wird von allen Seiten beleuchtet. Doch bei allen neuen Erkenntnissen kommen mehr Fragen auf, als dass es zufriedenstellende Antworten gibt. Zunächst einmal kann der Feind nicht richtig verortet werden. Die Angreifer tauchen mal mit Schiffen an der Küste auf, dann wieder machen sie lange Fußmärsche durch unwegsames Gelände. Die Frage einer Verteidigungsstrategie scheitert schon an der Analyse und sicheren Bestimmung des Schlachtfeldes. Wenn das Schlachtfeld aber nicht bestimmt werden kann, ist die Wahl der Waffen umso schwieriger. Also auch hier keine klare Antwort. Die Planung einer effizienten Verteidigung zur Sicherung des eigenen landwirtschaftlichen Betriebes kommt ins stocken. Die Mitarbeiter im Betrieb haben dazu noch eine berechtigte Frage: Wer bestellt die Felder in der Zeit, wenn die Männer in die Schlacht ziehen und nicht zuhause sind. Soll das eingespielte Team auf dem Hof für die vage Aussicht auf Erfolg einer unsicheren Mission auseinandergerissen werden? Wer soll das alles managen? Es erscheint mehr als wahrscheinlich, dass für die bloße Hoffnung auf eine bessere Zukunft der Ertrag der Landwirtschaft vollkommen zusammenbricht.

Aus Sicht des Management ist es besser, die kleine Welt des Hofes abzusichern als das Glück in der weiten Welt zu suchen. Die Entscheidung sieht dann auch schnell fest: Die Arbeit auf dem Felde wird fortgeführt und intensiviert. Vorräte sind in schwierigen Zeiten immer von Vorteil. Auch das Management mahnt – wie der Bauer – zur Vorsicht. Aber auch in diesem Fall hat man keine Waffen gegen die Angreifer in der Hand. Es bedarf daher viel Mut, einfach so weiterzumachen und darauf zu hoffen, dass das Unglück an einem vorbeizieht.

Die Unsicherheit bleibt und das Abenteuer bleibt aus

Die Beispiele vom Bauern und vom Management lassen nur einen Schluss zu. Trotz aller Gefahren, werden beide nicht in das Abenteuer einsteigen. Es ist eine sehr bewusste Entscheidung, dass das Management des eigenen Betriebes Vorrang vor irgendwelchen Zukunftsprojekten hat. Die Angst, dass die Versorgung gefährdet wird, ist größer als die vage Vermutung eines Untergangs. Auf jeden Fall sind die Erträge zu sichern und wenn es geht, durch effizientere Prozesse sogar zu steigern. Was aber bleibt, ist die Unsicherheit, ob tatsächlich ein Angriff den Betrieb zerstört und die zukünftigen Erträge verloren gehen.

Die Excellence im eigenen Haus

In der gesamten Diskussion um Führung und Transformation taucht das Beharrungsvermögen und die Sicht auf die eigene kleine Welt immer wieder als Problem auf. Viele Quellen bemängeln die mangelnde Weitsicht und den fehlenden Mut des Managements, Dinge neu anzugehen. Das Management sehnt sich nicht nach neuen Welten, sondern nach Verbesserungen im eigenen Haus. Durch eine fortwährende Optimierung des Bestehenden soll Excellence und Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden.
Es ist keine Frage, dass man Operational-Excellence anstreben kann und muss. Es ist aber die Frage, ob diese eine Perspektive ausreicht. Soll die im Management so dominante Prozess-Orientierung der einzige Weg sein, um Excellence zu erreichen? Die Antwort liegt auf der Hand. Eine Optimierung der eigenen kleinen Welt bringt auch nur Excellence in der eigenen kleinen Welt. Die Operational-Excellence bringt nur wenige qualitative Vorteile, aber deutlich mehr quantitative Vorteile: weniger Verschwendung, mehr Output, geringere Kosten. Sie hat aber für das Management den entscheidenden Vorteil der Planbarkeit und Vorhersehbarkeit.

Haben Sie bei der Excellence von Biontec, Apple, Google und Co schon mal über deren operational Excellence nachgedacht?

Dr. Guido Schmidt

Excellence als Abenteuer

Es ist jetzt der richtige Moment für eine Zeitenwende. So wie es damals zur Urzeit eine Wende im Verlauf der Geschichte gegeben hatte. Auf der Suche nach Excellence müssen wir den Blick ebenso nach außen richten. Wir müssen auch dort suchen, wo die Vorhersagen unsicher und die Ergebnisse fraglich sind. Die wirklich excellenten Unternehmen, haben alle etwas Neues und Einmaliges geschaffen. Sie haben sich in eine unplanbare, neue Welt gewagt und haben dort neue Fragen und excellente Antworten gefunden. Excellente Unternehmen haben sich in schwierige Abenteuer gestürzt, und waren am Ende erfolgreich. Wir sollten alle häufiger und positiver gestimmt in die weite Welt hinaus gehen. Es mögen kleine Abenteuer sein, aber man steigert sich mit den Herausforderungen. Vielleicht muss die Führung dabei das Management an die Hand nehmen.

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