Es tut sich was in Deutschland. Die Rufe nach Fortschritt und einem gesellschaftlichen Wandel sind nicht zu überhören. Junge Menschen fordern, dass sich etwas bewegen soll. Auf der gesellschaftlich-politischen Ebene sind es die Schüler, die mit Vehemenz sichtbare Erfolge beim Klimaschutz fordern. Ihr Vorwurf: Diejenigen, die jetzt handeln könnten, aber nichts tun, müssen nicht mit ihren Versäumnissen leben, sondern die neue Generation.
Und auch für die Wirtschaft wird eine neue Wertorientierung gefordert. Die Skandale haben sich in der vergangenen Zeit gehäuft: krumme Bankgeschäfte, rücksichtsloses Profitstreben und der Dieselskandal. All diese Beispiele machen deutlich, dass sich etwas zum Besseren entwickeln muss. Die Forderung nach einer neuen „Businessethik“ wird laut.
Schauen wir in die Unternehmen, tritt die Generation Y auch hier selbstbewusst auf und fordert Anpassungen in der Unternehmenskultur und den Arbeitsbedingungen. Kein Zweifel, es zeigen sich immer mehr Leute, die etwas bewegen wollen. Sie haben Lust auf Veränderung und keine Angst vor der Zukunft. Mit ihrer hedonistischen Einstellung verbindet sich eine enorme Motivation. Der Spaß daran, etwas zu bewegen, ist überall sichtbar.
Die Wirklichkeit schlägt zurück
Was wir hier erleben, ist Euphorie am Wandel, ja ein fast romantischer Blick auf Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmen. Wir wollen das große Ganze sehen und zeigen deutlich positive Emotionen bei allen Themen rund um den Wandel und die Transformation. Doch warum passiert eigentlich, trotz der überall spürbaren Begeisterung, so wenig?
Es ist die harte Wirklichkeit, die uns alle einholt. Die politische Gesellschaft verharrt im Klein-Klein, obwohl doch alle die Gefahren des Stillstands sehen. Der Grund liegt darin, dass sich unsere Demokratie durch eine immer breitere Beteiligung von institutionellen und nicht legitimierten Meinungsträgern selbst Fußfesseln anlegt. Die Lobby ist schlichtweg zu einer viel zu machtvollen Instanz gewachsen. Zudem versprechen die etablierten Parteien wenig Großes, weil sie wissen, dass die Mittel fehlen, gravierende Veränderungen durchzusetzen.
Unsere Wirtschaft folgt immer noch eher dem Effizienzstreben als der Neuausrichtung. Der Shareholder-Value, also der Unternehmenswert mit seiner Fokussierung auf Free Cashflows, ist in Großunternehmen nach wie vor das dominante Paradigma. Nachhaltigkeit und langfristige Werte sind bei den Unternehmenslenkern nur Lippenbekenntnisse. Es wird wohl noch einige Zeit brauchen, bis sich eine neue, „wertorientierte Unternehmensführung“ durchsetzt.
In Sachen Unternehmenskultur arbeitet das Personalwesen eifrig an Transformation und New Work. Doch genau da liegt das Problem. Denn häufig handelt es sich dabei zunächst einmal nur um Maßnahmen, sich als Unternehmen möglichst attraktiv zu machen. Das dringend benötigte junge Personal legt immerhin Wert darauf. Doch die Kultur, wie sie auch tatsächlich im Unternehmen gelebt wird, ist noch stark durch die alten Hasen geprägt. Die Jugend trifft auf langweilige, am Status quo hängende Führungskräfte.
Was muss man nun tun, wenn man einen Wandel erreichen will?
Nimmt man die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und unternehmerischen Aspekte zusammen, zeigt sich ein starker Wunsch nach „klarer Führung“. Damit ist weder Populismus noch Alleinherrschaft noch Machtanhäufung gemeint. Gebraucht werden aber mutige Visionen, die einen Weg in die Zukunft zeigen. Eine klare Führung soll einen Weg aus dem Klein-Klein aufzeigen, wie es derzeit zum Beispiel eine Greta Thunberg tut. Allerdings benötigen wir solche Vorreiter auch auf Ebenen der Entscheidungsfindung. Nur so kann sich eine Gesellschaft auch schnell weiterentwickeln.
Daher ist es so enorm wichtig, dass die Forderung nach einem Wandel auf allen Ebenen nicht nachlässt. Politische, wirtschaftliche und unternehmerische Veränderung gibt es nur, wenn bestehende Beharrungskräfte überwunden werden. Es ist also an uns allen, den Wandel immer wieder einzufordern. Aber verlangen Sie nicht nach hierarchielosen Organisationen und einer Hyperdemokratisierung in den Unternehmen. Gebraucht wird eine starke Führung mit klaren und zeitgemäßen Visionen.
Der Artikel von Guido Schmidt ist einer von vier Auftaktartikeln des nutzergewählten Themenspecials „Gesellschaft der Zukunft“. Eine Woche lang begleiten wir das Thema aus verschiedenen Perspektiven. Neben Gina Schöler machen auch die folgenden Autoren den Anfang:
- „Was macht eine Gesellschaft eigentlich glücklich?“ von Gina Schöler, Ministerin für Glück und Wohlbefinden
- „Wo, bitte, geht’s zur nächsten Gesellschaft?“ von Christian Schuldt, Zukunftsinstitut
- „Los geht’s mit Ihrem Themenspecial“ von Svenja Lau, Redakteurin XING
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